
Aufhebung der EU-Sanktionen "Als ob Syrien wieder zum Leben erweckt wurde"
Das Ende internationaler Sanktionen gegen ihr Land lässt viele Syrer jubeln. Doch die Menschen wissen auch: Syriens Wirtschaft wird Zeit brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.
Syriens Außenminister meldete sich schon zu Wort, als die EU noch gar nicht offiziell verkündet hatte, die Sanktionen gegen sein Land aufzuheben. Auf einer Pressekonferenz in Damaskus sprach Asaad al-Shaibani von einer historischen Chance: "Wer auch immer in Syrien investieren möchte - die Türen sind geöffnet. Wer dem syrischen Volk helfen und ihm beistehen möchte - jetzt ist der Weg dafür frei."
Nicht nur die Sanktionen der USA, auch die der Europäischen Union fallen dauerhaft weg. Auch für Hisham Jebeili aus Aleppo ein Freudentag. Der Unternehmer stellt die berühmte Aleppo-Seife in der historischen Altstadt der syrischen Wirtschaftsmetropole her.
"Die Freude ist unermesslich"
"Mich haben gleich Firmen angerufen und Bestellungen aufgegeben, weil die Sanktionen wegfallen", sagt Jebeili. "Die Freude ist unermesslich. Schon als die Sanktionen der USA aufgehoben wurden, fühlte sich das an, als ob Syrien wieder zum Leben erweckt wurde - uns ist wirklich eine felsenschwere Last von den Schultern genommen worden."
Bei aller Freude weiß er aber auch: Syriens Wirtschaft wird noch lange brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. "Durch die Aufhebung der Sanktionen wird nicht über Nacht wie durch Zauberhand alles besser. Die Situation wird sich nicht plötzlich verbessern - dafür fehlen uns betriebsfähige Fabriken und Arbeitskräfte."
Arbeitskraft und Knowhow ist verloren
Die Spuren des Krieges und der lähmenden Jahre der Assad-Diktatur seien in Syrien noch immer Tag für Tag zu spüren, sagt er. "Menschen wurden vertrieben. Arbeitskraft und Knowhow ist verloren gegangen. Wer geflohen ist, fehlt. Diejenigen die gestorben sind, kommen nicht mehr zurück. Und wer seine Arme und Beine verloren hat, kann auch nicht mehr arbeiten."
Als Donald Trump vergangene Woche die Aufhebung der US-Sanktionen angekündigt hat, wurde auf den Straßen von Damaskus, Aleppo und Homs gefeiert. Nun zieht die EU gleich. Für viele Syrer ist das ein weiterer Schritt zur Rückkehr in die internationale Staatengemeinschaft.
Dem neuen Syrien Zeit geben
Es gibt aber auch Kritiker, die eine bedingungslose Aufhebung der Sanktionen für einen Fehler halten. Die neuen syrischen Machthaber um Übergangspräsident Ahmad al-Sharaa hätten bislang weder Schritte zu mehr Demokratie eingeleitet noch bewiesen, dass sie mit Geld umgehen können. Zudem fehle eine parlamentarische Kontrolle.
Muhammad al-Sukari hält diese Kritik nicht für gerechtfertigt. Der junge Syrer forscht an einem Thinktank in der Türkei über die Entwicklungen in seinem Heimatland. Am Anfang werde die Kontrolle über die Staatsgelder bei al-Sharaa liegen, sagt er. Diese Realität müsse man akzeptieren und man dürfe nicht vergessen, dass es erst wenige Monate her ist, dass das Assad-Regime gestürzt worden sei. Man müsse dem neuen Syrien Zeit geben.
"Wir haben Geduld"
Mit dem Wegfall der Sanktionen bekommen Syrer Zugang zum internationalen Bankensystem SWIFT. Im Ausland lebende Verwandte können leichter Geld ins Land überweisen, Unternehmer und Banken kommen leichter an Kapital. Nicht zuletzt können ausländische Firmen in Syrien investieren - ohne mit Strafen rechnen zu müssen. Konzerne aus den Golfstaaten und der Türkei stehen schon in den Startlöchern.
Bis sich die Lebenssituation der Menschen im Land tatsächlich verbessert, da sind sich Experten einig - wird es noch dauern, vielleicht Jahre. "Wir haben Geduld", sagt Muhammad al-Sukari. Der Politikwissenschaftler plant, bald aus der Türkei nach Syrien zurückzugehen. "Wir haben sehr lange auf den Fall des Assad-Regimes gewartet. Und wer Jahrzehnte gewartet hat, der schafft auch noch zwei, drei Jahre mehr".
Eine Bedingung dafür sei aber, dass sich Syrien demokratisch und friedlich weiterentwickle.